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Predigt zum 25. Sonntag im Jk, Lj B, beim Konventamt im Dom am 19.9.2021

Nicht einfach ein Kreuz machen, der Botschaft des Kreuzes folgen!

Würzburg, 19.09.2021. Es geht um die Zukunft unserer Gesellschaft und der Welt. Wichtig ist deshalb „zum einen die eigene innere Haltung, nämlich die Bereitschaft zum Leiten durch Dienen, zum anderen die innere Offenheit“, sagte Domkapitular Clemens Bieber bei seiner Predigt im Würzburger Dom. Vor dem Hintergrund des Sonntagsevangeliums verwies er auf Jesus: „Deshalb stellt er ein Kind in die Mitte, um deutlich zu machen, worauf es ankommt.“ Weiter sagte der Caritasvorsitzende, der auch Vorsitzender des Bundesverbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) ist: „Wir hoffen auf eine friedvolle Welt, in der Gottes Geist die Menschen eint. Das ist unsere Botschaft und sollte die Botschaft aller Menschen guten Willens sein – an die Kinder und durch die Kinder an die Welt.“

Die Predigt im Wortlaut:

Am kommenden Sonntag um diese Zeit werden die meisten von uns bereits ihr Kreuz gemacht haben. Der Wahlkampf ist im vollen Gang und die Parteien werben darum, dass möglichst viele Menschen ihnen ihr Kreuz auf dem Wahlzettel geben.
Wir werden eine schwierige und wie die Auguren sagen spannende Wahl erleben, wie es sie bislang noch nicht gegeben hat. Alle Richtungen sind offen. Manchmal werden täglich mehrfach Umfragen veröffentlicht und je nach Meinungsforschungsinstitut verschieben sich die Prozentangaben für die einzelnen Parteien unterschiedlich. Die Kommentatoren bemängeln, dass es bisher weniger um Inhalte als um Personen und Konstellationen gehe, wer mit wem koalieren könne, und vor allem wer letztlich ins Kanzleramt einziehe.

Die Beobachtung ernstzunehmender Kommentatoren entspricht meiner Wahrnehmung, die – wie in Gesprächen deutlich wird – viele mit mir teilen. Für einen Großteil der Bevölkerung scheinen Farbenspiele, persönliche Sympathien, mögliche Koalitionen wichtiger als politische Inhalte. Dabei geht es z.B. um die vielfältigen Herausforderungen durch die Klimakrise, es geht aber auch um wirtschaftliche Stabilität und im Blick auf die durch die Pandemie aufgehäuften immensen Schulden und die Frage, wie sie wieder abgetragen werden können. Es geht um moderne Technologien, um Ausbildung und Arbeitsplätze, um soziale Gerechtigkeit, die Generationenfrage und so wichtige Fragen wie die Pflege angesichts der demographischen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Es geht um die Not der Menschen auf der Flucht. Es geht um die europäische Einheit, eine gerechte Weltordnung und die zunehmenden globalen Spannungen.

Es geht aber auch um das Vertrauen in das Gemeinwesen, das täglich erschüttert wird durch ein teilweise unbedachtes Agieren in der Medienlandschaft. Es geht um das Miteinander der Menschen in unserer Gesellschaft, um die geistige und geistliche Grundlage für das Zusammenleben. Es geht um die Verantwortung füreinander und die praktizierte Solidarität, und – ganz wichtig – es geht um wesentliche Fragen der Ethik wie z.B. des Lebensschutzes.
Es sollte also bei dieser richtungsweisenden Wahl vor allem um die geistige Ausrichtung für das Miteinander der Menschen in unserem Land gehen und weniger um großartige verlockende Versprechen, deren Finanzierung ohnehin fragwürdig ist.

Damit sind wir mitten in der Situation, die der Evangelist Markus überliefert und uns gerade verkündet wurde. Die Jünger streiten miteinander, wer von ihnen der Größte sei, also so etwas wie ein „Wahlkampf“. Jesus setzt nicht bei einzelnen Themen, sondern beim grundlegenden Thema an, durch das die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Dazu gibt er zwei entscheidende Hinweise: zum einen die eigene innere Haltung, nämlich die Bereitschaft zum Leiten durch Dienen. Zum anderen die innere Offenheit, deshalb stellt er ein Kind in die Mitte, um deutlich zu machen, worauf es ankommt.
Ein Kind ist offen, ist unvoreingenommen, nimmt auf, was sich in der ihm vertrauten Umgebung abspielt. Jesus organisiert keineswegs nur eine Betreuung, sondern er nimmt es in seinen Arm, umgibt es mit seiner Zuneigung und Menschenfreundlichkeit. Psychologen bestätigen, wenn ein Kind Herzlichkeit und liebevollen Umgang spürt, dann fühlt es sich geborgen und nimmt diese Erfahrung in sich auf. Sie geben ein Lebensmuster wieder, das ihnen vorgelebt wurde, das sie selbst gehört, erlebt und so verinnerlicht haben.

Im Leben, im Miteinander der Menschen – wie z.B. jetzt im Wahlkampf – geht es oft darum, der Größte, der Beste zu sein, sich zumindest so darzustellen bzw. so dargestellt zu werden; das geschieht leider immer wieder auch unter den Anhängern Jesu.

Somit drängt sich die Frage auf, was haben sie von Jesus verstanden? Er selbst spricht davon, dass sein Weg zum Leben mit der zumeist gängigen Lebensweise, dem sogenannten Mainstream, über Kreuz kommt. Jesus stellt mit seiner Frohen Botschaft und mit seiner Art zu leben und mit den Menschen umzugehen, die gängigen Lebensmuster auf den Kopf. Er nimmt sich der Ausgegrenzten an, der Menschen am Rande, sogar der Schuldiggewordenen, ebenso der Kleinen, der Unscheinbaren, die nichts gelten in der Gesellschaft, z.B. heute bei uns der Kinder. Um Menschen zum Leben zu verhelfen, bricht er Konventionen und wird für die Mächtigen eine Gefahr. Dadurch riskiert er das Kreuz.

Was mich am Verhalten Jesu beeindruckt, ist, dass er den Jüngern keine Vorwürfe macht; dennoch versucht er, ihr Denken zu erneuern, ihr Verhalten zu ändern, ihr gängiges Lebensmuster, das geprägt ist von groß, mächtig, stark, der Beste sein zu wollen, zu durchbrechen. Er konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf ein Kind, das – wie gesagt – offen ist für Zuneigung und Herzlichkeit. Somit wird deutlich: Wo Menschen – wie ein Kind – offen sind, sind sie fähig, Jesus und seine Frohe Botschaft anzunehmen. Und wo die Menschen Jesus in sich aufnehmen, nehmen sie Gott auf.

Das Bild, das das heutige Evangelium zeichnet, zeigt ein Kind, das in den Armen Jesu die herzliche Zuneigung Gottes erfährt und mit dieser Erfahrung groß und Vorbild werden kann. Das ist etwas ganz anderes als der Versuch, Heranwachsende zu instrumentalisieren für eigene Zwecke wie z.B. bei den Corona-Demonstrationen oder aktuell der Aufforderung als Enkel an die Großeltern Briefe im Blick auf deren Wahlentscheidung zu schreiben, wie das eine Partei jetzt getan hat.

Es ist höchste Zeit, dass sich etwas ändert im Blick auf die gängigen Lebensmuster, die suggerieren, dass es darauf ankäme der Größte zu sein. Während Jesus über den entscheidenden Punkt seines Lebens redet, nämlich über seine grenzenlose Liebe zu den Menschen, die sogar ans Kreuz, aber letztlich zur Auferstehung führt, streiten sich die Jünger, wer von ihnen der Größte sei.

Ein gottgewollter und deshalb menschlicher Umgang miteinander beginnt bei denen, die das Verhalten Jesu verstanden haben und wird aber schon bei den Kindern grundgelegt; bei dem, was sie von klein auf zu hören bekommen und als Erwachsene weitersagen und weitergeben.
Deshalb geht es bei religiöser Erziehung mehr als nur um ein persönliches, privates Interesse, es geht um mehr als das Wohlgefühl vom „lieben Gott“ und seinen „Schutzengeln“ beschützt zu sein, es geht um mehr als um einen Verhaltenskodex. Deshalb ist neben der religiösen Erziehung in der Familie auch der Religionsunterricht in der Schule unverzichtbar. Die Religionen, so sagte es ein namhafter Politiker, sollten „im Unterricht Zeugnis von dem geben können, woran sie glauben und worauf sie hoffen“. Wir hoffen auf eine friedvolle Welt, in der Gottes Geist die Menschen eint. Das ist unsere Botschaft und sollte die Botschaft aller Menschen guten Willens sein – an die Kinder und durch die Kinder an die Welt.

Darum muss es vor allem um die Bildung des Gemüts, des Herzens und der Seele gehen. Daraus erwachsen in Zukunft mutige und vorbildliche Menschen. Dann gelingt auch die kognitive Bildung umso besser. Unsere Gesellschaft, die Meinungsmacher in den Medien, ebenso wie die Politiker müssen endlich aufwachen und erkennen, dass es darauf ankommt, Eltern und Familien zu unterstützen und die natürlichen Rahmenbedingungen für die Erziehung von Kindern zu verbessern. Das ist wesentlich mehr als die staatlich organisierte Betreuung und Bildung. Es geht um die Unterstützung der Bemühungen der Eltern!

Ich kenne eine Vielzahl von Familien, wo die Eltern den Kindern beim Zu-Bett-bringen nicht nur den Gute-Nacht-Kuss, sondern auch ein Kreuz auf die Stirn schreiben. So prägt sich den Kindern von Klein auf ein, dass Gott seine Hand schützend über sie hält. – Ebenso geben sie den Kindern mit Weihwasser das Kreuz auf die Stirn, wenn sie morgens aus dem Haus gehen.

So wächst die Beziehung zu Gott, denn in allen Lebensvollzügen kommt es darauf an. „Ohne Blick zum Himmel und dem Bewusstsein einer letzten Verantwortung, fehlt eine wichtige Dimension des Menschen“, habe ich einmal gelesen. Deshalb muss Religion intensiver beachtet werden.

Was in der familiären Erziehung grundgelegt und im Kindergarten vertieft wird, wird im schulischen Religionsunterricht weiter vermittelt. Die Heranwachsenden können ihren Fragen nach dem Woher, Wozu und Wohin nachgehen, finden Zugang zu den Formen des gelebten Glaubens und lernen, sich mit Schülern anderer Religionen zu verständigen.

Ein nach wie vor aktueller Buchtitel von Professor Biesinger lautet: „Kinder nicht um Gott betrügen“. Die Erziehung im Glauben an Gott ist lebensentscheidend wichtig für die Gewissensbildung und von daher für ein verantwortungsbewusstes Leben und Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft. Aber was muss noch alles passieren, bis unsere Gesellschaft aufwacht?

Es kommt also darauf an, nicht nur ein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen, sondern selber der Botschaft des Kreuzes zu folgen und sich dann auch für Menschen in der politischen Verantwortung zu entscheiden, die aus dem Geist des Gekreuzigten und Auferstandenen für das Leben sorgen und die Welt mitgestalten.

Nicht auf den vermeintlich Größten bzw. die Größte kommt es an, sondern auf die Richtung, die der Gekreuzigte vorgibt.

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Jesus stellte ein Kind in ihre Mitte
– Jesus stellt das Leben in die Mitte

Deshalb gilt:

Nicht Gerechtigkeit fordern,
sondern Gerechtigkeit üben und Not wenden.

Nicht über Frieden reden,
sondern Frieden schaffen und aufeinander zugehen.

Nicht über Schöpfung reden,
sondern Leben schützen und Schwache fördern.

Nicht über Liebe reden,
sondern einander annehmen und füreinander da sein.

Nicht über Hoffnung reden,
sondern Hoffnung ausstrahlen und Zeugnis geben.

Jesus stellte ein Kind in ihre Mitte.
Jesus stellt das Leben in die Mitte.
Jesus redet nicht, er handelt!

(Autor unbekannt)