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Schäumende Kulturgeschichte aus dem Orient

Würzburg/Oberelsbach (POW) Es schäumt, ist hellgelb und trüb. Auch wenn der Geruch deutlich saurer ist als bei herkömmlichen Bieren: „Ninkasi – Lecker Ulushin“ schmeckt fast wie ein typisches Weizenbier. Aber nur fast. Das Rezept ist über 4000 Jahre alt und kommt aus Mesopotamien.
 
„Ein Hauptunterschied zu den Bieren, wie wir sie heute kennen, sind die Zutaten“, erklärt Dr. Erasmus Gaß, Theologe mit dem Schwerpunkt Altes Testament. Für ein Seminar, das sich mit dem Alkoholkonsum im Alten Orient auseinander setzte, braute der aus Oberelsbach in der Rhön stammende Wissenschaftler im Sommer vergangenen Jahres zum ersten Mal schäumenden Getreidesaft nach alten Keilschrift-Rezepten aus dem Land zwischen Euphrat und Tigris. Feigen, Datteln, Bierbrot aus Senf- und Gerstenmehl, Malz, Weizenschrot, Hefe und Wasser. Viel mehr braucht es nicht für ein gutes Bier, außer nicht näher bestimmten Gewürzen. So sieht es zumindest die mesopotamische Tradition vor, die Gaß hat wieder aufleben lassen.
 
Dort gehörte der vergorene Getreidesaft zum Alltag – als Durstlöscher und als hygienisch einwandfreie Alternative zum nicht immer sauberen Trinkwasser. „Wohl eher zufällig“ sei das erste Bier entstanden, als durch angeflogene Naturhefe die Schleimsuppe aus eingeweichtem Brot zum berauschenden Getränk wurde. Dies sei schnell aufgegriffen worden, berichtet Gaß. Der Prozess wurde systematisiert, meist übernahmen Frauen Bierherstellung und -ausschank. Mit Ninkasi gab es sogar eine eigene Göttin für das berauschende Getränk. In der Metropole Susa belegen archäologische Funde die Existenz einer Bierkneipe, in der das Getränk quasi braufrisch an die Kundschaft ausgegeben wurde. Als Trinkgefäß diente dabei ein großer im Boden eingelassener Bottich. Aus diesem tranken mehrere Gäste gemeinsam, jeder mit seinem eigenen langen Halm. „So blieben gröbere Rückstände vom Brauen im Gefäß“, erklärt der Hobbybrauer. Filtration wie sie heute üblich ist, sei damals gänzlich unbekannt gewesen.
 
Keinen Vergleich mit dem heutigen Angebot braucht die Palette der damals hergestellten Biere zu scheuen. Wie in Deutschland heute auch, gab es in Mesopotamien Biere aus Gerste und Emmer, der Getreideart, aus der später Weizen gezüchtet wurde. „Ob Lagerbier, Feinbier, Normalbier, Goldenes Bier, Rötliches Braunbier, Süßbier, dunkles Bier oder unvergorenen Malzextrakt, als eine Art Malzbier: Die Brauer aus dem Zweistromland waren sehr kreativ.“
 
Um selbst auf den Geschmack zu kommen, besorgte sich Dr. Erasmus Gaß die Zutaten für ein Bier vom Typ „Ulushin“. Zusammen mit Andreas Pluskal, einem befreundeten Bierbrauer, machte er sich ans Werk. Rund acht Stunden dauerte es, bis aus Wasser, Malz, Weizenschrot, Bierbrot, Dattel- und Feigenmus und Kardamom, den reifen Samen der Ingwerpflanze, rund 20 Liter Sud gebraut waren. „Nicht eingerechnet die Zeit für das Backen des Bierbrots.“ Dafür mischte Gaß Gersten- und Senfmehl mit Wasser und buk daraus in der Pfanne Fladen.
 
Nachdem obergäriger Hefe zugesetzt war, gärte anschließend alles gut eine Woche bei 12 bis 25 Grad vor sich hin. Dann wurde das Jungbier für etwa vier Wochen zur Nachgärung in Flaschen abgefüllt. Diese haben zwar anders als die orientalischen Vorbilder keinen Verschluss aus Lehm oder Ton. Dafür halten die Bügelflaschen mit der Gummidichtung die Kohlensäure besser. Und diese ist wichtig, damit das Getränk spritzig schmeckt. Und noch etwas ist anders als bei den Sumerern, erzählt Gaß: „Ich habe natürlich den Brauvorgang beim Zollamt angemeldet, wegen der fälligen Biersteuer. Aber bei solch geringen Mengen wird einem der Betrag erlassen.“
 
(0702/0186)